Bodenaushub – Abfallende bei Rekultivierungsmaßnahmen nur bei Einhaltung der Formalkriterien des BAWPL?

Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 17.11.2022, Porr Bau GmbH, C-238/21, – soweit hier relevant – ausgesprochen, dass die Bestimmungen der Abfallrahmenrichtlinie einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, nach der Bodenaushub (der höchsten Qualitätsklasse) seine Abfalleigenschaft nur dann verliert, wenn sein Besitzer Formalkriterien erfüllt, die für den Umweltschutz irrelevant sind, falls diese Kriterien die Wirkung haben, dass die Verwirklichung der Ziele der Abfallrahmenrichtlinie gefährdet sind.

Nach § 15 Abs 4a AWG 2002 ist eine Verwertung von Abfall – zB eine Rekultivierungsmaßnahme – nur zulässig, wenn der betreffende Abfall unbedenklich für den beabsichtigten sinnvollen Zweck einsetzbar ist und keine Schutzgüter (im Sinne von § 1 Abs. 3) durch diesen Einsatz beeinträchtigt werden können, sowie durch diese Maßnahme nicht gegen Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen einschließlich des Bundes-Abfallwirtschaftsplans („BAWPL“) verstoßen wird.
Der BAWPL 2013 sieht in Pkt. 4.7.8. für die Verwertung von Bodenaushub die Durchführung einer Grundlegenden Charakterisierung gemäß Deponieverordnung 2008 vor.
Weiter sieht der BAWPL 2023 in Pkt. 4.7.2.5. bei Verwertungsmaßnahmen im Zuge einer Erdbaumaßnahme oder Bodenrekultivierung vor, dass vom Bauunternehmen, durch das der Einbau des Materials erfolgt, die Maßnahme durch eine Einbauinformation zu dokumentieren ist. Diese hat jedenfalls folgende Angaben zu enthalten:
‚• Ort des Einbaus,
• Beschreibung des Bau-, Erdbau- oder Rekultivierungsvorhabens,
• Zweck des Einbaus / Begründung der Nützlichkeit der Maßnahme,
• Art der Verwendung (z. B. Aufbau einer Rekultivierungsschicht),
• Masse des eingebauten Materials,• Einbauskizze mit Regelprofil (Schichtenaufbau),
• Kennung des Beurteilungsnachweises, mit dem das eingebaute Material grundlegend charakterisiert wurde,
• Bestätigung, dass beim Einbau keine Verunreinigungen mit Schadstoffen (Mineral-öle etc.) sowie keine mehr als geringfügigen Verunreinigungen mit bodenfremden Bestandteilen (z. B. Baurestmassen oder Kunststoffen) zu beobachten waren.

Der VwGH hatte in einem Fall, bei dem bei einem Rekultivierungsvorhaben zum Zeitpunkt der Maßnahme keine Grundlegende Charakterisierung und auch keine Einbaudokumentation erstellt wurden, aufgrund der oben zitierten Rechtsprechung des EuGH zu entscheiden, ob ob es sich bei den genannten Einbauinformationen im BAWPL 2023 lediglich um Formalkriterien handelt, welche für den Umweltschutz irrelevant sind und bejahendenfalls, ob diese Kriterien die Wirkung haben, dass die Verwirklichung der Ziele der Abfallrahmenrichtlinie gefährdet sind.

In seiner Entscheidung vom 19.12.2024, Ra 2023/07/0090, führt der VwGH unter Hinweis auf Judikatur des EuGH aus, dass jedenfalls die von den Mitgliedsstaaten im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums festgelegten Kriterien des Abfallendes hinsichtlich der Definition von Grenzwerten bzw. von Qualitätsklassen der Abfallmaterialen für einzelne Verwertungsmaßnahmen, der Behandlungsverfahren und -methoden, sowie der erforderlichen Qualitätskriterien für den Eintritt des Endes der Abfalleigenschaft der Materialien, die durch das Verwertungsverfahren gewonnen werden, nicht als bloßes „Formalkriterium“ im Sinn dieser Judikatur anzusehen sind.

Als zulässig – und nicht als bloßes für den Umweltschutz irrelevantes „Formalkriterium“ – zu bewerten sind nach den Ausführungen des VwGH aber auch Verpflichtungen im nationalen Recht zur Dokumentation der Maßnahme, zumindest soweit diese unerlässlich ist, um die Einhaltung der oben genannten Vorgaben – etwa hinsichtlich Grenzwerten und Behandlungsmethoden – verlässlich überprüfen zu können.

Ob bzw welche der in Pkt 4.7.2.5. des BAWPL 2023 angeführten Einbauinformationen nunmehr zulässige Dokumentationen iSd genannten Rechtsprechung des EuGH darstellen, konnte im Anlassfall dahingestellt bleiben, da im Anlassfall im Rahmen der Umsetzung der Maßnahme überhaupt keine chemische Analyse und Dokumentation erfolgte und damit im Nachhinein nicht einmal mehr die genaue Menge und die Qualität des eingebauten Aushubmaterials zum Zeitpunkt des Einbaus festgestellt werden konnte.

Die gegenständliche Entscheidung des VwGH kann sohin als grobe Richtschnur gesehen werden, um abzuschätzen, welche Einbauinformationen bei Rekultivierungsmaßnahmen erstellt werden müssen.

Es ist dabei auch zu beachten, dass bei Verstößen gegen § 15 Abs 4a AWG 2002 eine unzulässige Verwertung vorliegt, wonach die Abfalleigenschaft des Aushubmaterials nicht endet.